Aktuelle Informationen zur Luft- und Wasserhygiene

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Ferien und Luftqualität - ein Thema?

LuftqualitatDie Chinesen schaffen eine aktuelle Karte über weltweite Luftverschmutzungen!
Auch die WHO bestätigt: In Asien-Indien ist am schlimmsten. Nach Schätzungen sterben bis 600'000 Inder pro Jahr frühzeitig an der Luftverschmutzung.
Ist dies relevant für Sie? Wohin geht es in die Ferien?

 Neue Zürcher Zeitung vom 28.03.2015, Volker Pabst, Delhi

In keiner Metropole der Welt ist die Luftqualität so schlecht wie in Delhi

Delhis Bewohner sind täglich stärkster Luftverschmutzung ausgesetzt. Die gesundheitlichen Gefahren sind bekannt. Doch nur allmählich bildet sich ein Bewusstsein für das Problem.

Eigentlich hat man vom indischen Präsidentenpalast eine erhebende Aussicht. Die Prachtstrasse Rajpath führt von der Anhöhe des Amtssitzes bis zum Triumphbogen des India Gate. Beidseits des Boulevards sind Rasenflächen angelegt, Brunnen und Wasserstrassen bringen frisches Blau ins Bild. Das Ensemble bildet das architektonische Zentrum von Neu-Delhi, jenem Verwaltungsbezirk aus der Kolonialzeit, der auch das Machtzentrum des unabhängigen Indien bildet. Aber längst nicht an allen Tagen kann der Präsident den Ausblick geniessen. Manchmal trübt Nebel die Sicht, manchmal Staubwolken aus dem trockenen Umland. Noch öfter aber verschwindet der zwei Kilometer entfernte Triumphbogen im Smog.

Schmutziger Diesel

Gravierender als die sichtbaren Folgen der Luftverschmutzung sind die unsichtbaren. Delhi hat die weltweit höchste Belastung durch Feinstaub. Die Werte für PM 2,5, jene krebserregenden Kleinstpartikel, die von der menschlichen Lunge nicht herausgefiltert werden können, ist im Jahresmittel dreimal höher als in Peking. Besonders schlimm ist es im Winter, wenn die kalte, verschmutzte Luft wie eine Glocke über Delhi hängt. Im Dezember und Januar lag die durchschnittliche Konzentration von PM 2,5 mit 223 Mikrogramm pro Kubikmeter neunmal höher als der Grenzwert der Weltgesundheitsbehörde WHO (25μg/m³ im Tagesschnitt). An manchen Tagen wurde der Wert um mehr als das Fünfzigfache überschritten.

«Jeden Winter wird es schlimmer», erklärt Anumita Roychowdhury. Die Forschungsleiterin am Centre for Science and Environment beschäftigt sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem Problem der Luftverschmutzung. Das grösste Problem sei der Verkehr. Anders als in China, wo Kohlekraftwerke die Hauptverschmutzer darstellen, sind in Delhi laut Roychowdhury zwei Drittel der Schadstoffbelastung auf Motorfahrzeuge zurückzuführen.

Zwar besitzt erst eine kleine Minderheit der Bewohner ein eigenes Auto, doch bereits heute sind die Strassen hoffnungslos überlastet. Von acht bis zwanzig Uhr herrscht durchgehend Stossverkehr, das stockende Vorwärtskommen erhöht den Schadstoffausstoss weiter. Mit dem Anwachsen der Mittelschicht steigt die Nachfrage nach Privatautos. Täglich werden in Delhi 1400 Motorfahrzeuge neu zugelassen. Pro Jahr sind das über eine halbe Million.

«Wir müssen unser gesamtes Verkehrskonzept neu organisieren», fordert Roychowdhury. Verkehrsabgaben begünstigten Privatautos, auch die Stadtplanung richte sich zu stark am Individualverkehr aus und nicht an den 85 Prozent der Bevölkerung, die keine Autos benutzten. Schnellstrassen und funktionierende Hauptverkehrsachsen seien wichtig, doch im Quartier müsse durch Verkehrsberuhigung die Fortbewegung per Velo und zu Fuss gefördert werden. Der öffentliche Verkehr müsse ausgebaut werden, Metrostationen seien besser durch Zubringer zu erschliessen. «Wir müssen jetzt handeln. Es ist einfacher, Leute in den Bussen zu halten, als sie dorthin zurückzubringen, wenn sie erst einmal einen eigenen Wagen haben.»

Kinder mit Raucherhusten

Ausserdem müssten die Autos sauberer werden, insbesondere die dieselbetriebenen, erklärt Roychowdhury. Die WHO klassifiziert den Ausstoss von Dieselmotoren als ebenso krebserregend wie etwa Zigarettenrauch oder Asbest. Der Anteil an Dieselfahrzeugen ist in den letzten Jahren in Indien sprunghaft angestiegen, zudem werden bei der Verbrennung des hiesigen minderwertigen Treibstoffes (er entspricht der Euro-Norm IV) viel grössere Schadstoffmengen ausgestossen als bei europäischen Dieselmotoren. In den neunziger Jahren liess die Stadtregierung den gesamten öffentlichen Verkehr sowie die meisten Taxis und Moto-Rikschas auf Gas umrüsten. Die Luftverschmutzung nahm daraufhin bis 2006 ab. Die massive Zunahme des Privatverkehrs hat den Erfolg seither aber wieder zunichtegemacht.

Die gesundheitlichen Folgen der Verschmutzung sind bekannt. Neben Atemwegerkrankungen sind auch Blutdruckprobleme, Augenreizungen oder die chronischen Kopfschmerzen, über die viele Bewohner Delhis klagen, darauf zurückzuführen. Wie die meisten Menschen, die ihre Tage an oder auf den Hauptstrassen zubringen, haben viele Rikscha-Fahrer ständig gerötete Augen. Nach einem Tag an der Luft kratzt jedem Besucher Delhis abends der Hals, morgens haben auch Abstinenzler eine Whiskystimme. Manches Kleinkind wacht mit einem Raucherhusten auf.

Bereits kleine Schadstoffmengen können schwerwiegende Auswirkungen haben. Laut der WHO steigert ein um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter erhöhter PM-2,5-Wert das Lungenkrebsrisiko um 8 Prozent. In Delhi liegt der Wert um mehr als 130 Mikrogramm höher als im Schweizer Durchschnitt. Besonders gefährdet sind Kinder, Kranke und Alte. Eine Studie zeigt, dass ein Drittel aller Kinder in Delhi reduzierte Lungenfunktionen hat. Zudem ist der Eisenanteil im Sputum (abgehusteter Schleim) viermal höher als in unverseuchten Gebieten, ein Anzeichen für Blutungen in der Lunge. Wissenschafter der Universität Chicago haben berechnet, dass die Luftverschmutzung die durchschnittliche Lebenserwartung für die Hälfte von Indiens Bevölkerung um 3,2 Jahre verringert. >> mehr zu 600'000 Toten jährlich

Dennoch spielt das Problem in der öffentlichen Debatte immer noch eine untergeordnete Rolle. Während in Kinofilmen jedes Mal eine Warnung eingeblendet wird, wenn ein Schauspieler eine Zigarette raucht, ist Luftverschmutzung kaum ein Thema. Besorgt sind bis jetzt in erster Linie westliche Ausländer, die für einige Jahre in Delhi leben und sich naturgemäss eher mit Symptom- als Ursachenbekämpfung beschäftigen. Genevieve Chase betreut eine Website mit Fakten zur Luftverschmutzung in Delhi. Die Frau eines amerikanischen Diplomaten darf wie viele mitreisende Ehepartner in Indien keiner regulären Arbeit nachgehen und organisiert nun Informationsveranstaltungen und Seminare zur Problematik. «Das Interesse am Thema Luftverschmutzung steigt», erklärt Chase. «Doch von einem Bewusstsein wie in Peking sind wir noch weit entfernt.»

Das bestätigt auch Barun Aggarwal. Der Gründer eines Unternehmens mit dem sinnigen Namen «Breathe Easy» verkauft Luftfilter und luftreinigende Pflanzen. Die Räumlichkeiten der Firma dienen als Demonstrationsraum für das Produkteangebot. Über 2000 Pflanzen und ein ausgeklügeltes Filtersystem sorgen im Gebäude für frische Luft. Der Unterschied zur Aussenluft am staubigen Nehru-Platz, an dem der Büroturm steht, ist markant. «Wir bringen Davos nach Delhi», bewirbt sich die Firma im Aufzug selbst.

«Wir haben diesen Winter dreimal mehr Umsatz gemacht als letztes Jahr. Doch bis jetzt sind erst 10 Prozent meiner Kunden Inder», erklärt Aggarwal. Natürlich ist das auch eine Geldfrage, ein leistungsstarker Filter kostet das Mehrfache eines Durchschnittsgehalts. Doch nicht alle Schutzmassnahmen sind teuer. Ein Unternehmen in Peking bietet Billigfilter zum Selberbasteln für weniger als 50 Dollar an. Eine Expansion des Geschäfts nach Delhi ist im Gespräch. Auch die relativ günstigen Atemmasken haben oft einen hohen Wirkungsgrad. Doch anders als in Städten Ostasiens sieht man in Delhi kaum Personen mit Atemschutz.

Die Lunge abhärten?

Gewisse Massnahmen kosten sogar gar nichts. Zum Beispiel bringe es bereits etwas, nur nachmittags zu lüften und auch nur dann seine Kinder draussen spielen zu lassen, erklärt Aggarwal. Zwischen 13 und 17 Uhr sind die Werte merklich besser als zu den Stosszeiten des Berufsverkehr oder nachts, wenn die Schwertransporte aus dem Umland in die Stadt rollen. Hierfür muss man aber den Tagesverlauf der Belastungswerte kennen. «Für eine Breitenwirkung sind Aufklärungskampagnen unerlässlich», erklärt Aggarwal.

Der nach mehreren Jahren in den USA nach Indien zurückgekehrte Unternehmer gibt zu, dass ihn Unwissen und Gleichgültigkeit seiner Landsleute gegenüber der Luftverschmutzung irritieren. Ein weitverbreiteter Irrglaube sei etwa, man könne sich gegen die Verschmutzung abhärten. So wehrten sich mitunter Angestellte gegen Luftfilter am Arbeitsplatz, weil sie fürchteten, dadurch ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Verschmutzung zu senken, der sie ausserhalb des Büros ausgesetzt sind. Das ist, als würde man rauchen, um sich gegen Lungenkrebs zu wappnen.

Andere wissen zwar theoretisch um die Gefahr, finden aber, momentan sei Wachstum das oberste Gebot. «Entwicklung produziert immer Schmutz. Aufräumen können wir später», lautet die Devise. Dies ist auch insofern bemerkenswert, als auch die einflussreichen Eliten direkt vom Problem betroffen sind. Die Luft ist in den grosszügigen Gärten und Parkanlagen Süddelhis nur unmerklich besser als in den Elendsvierteln. Auch unter Kindern reicher Eltern steigt die Asthmaquote.

Doch allmählich findet ein Umdenken statt. Die grossen Zeitungen greifen das Thema häufiger auf, der Druck auf die Politik steigt. Das Forschungsinstitut CSE hat einen detaillierten Forderungskatalog zuhanden der neuen Regionalregierung von Delhi aufgestellt. Der linkspopulistisch angehauchten, aber nicht mit dem Establishment verbandelten «Partei des gewöhnlichen Mannes» (Aam Aadmi Party), die bei den Regionalwahlen vor wenigen Wochen einen erdrutschartigen Sieg errungen hat, wird am ehesten zugetraut, das Problem ernsthaft anzugehen. Erste Signale in diese Richtung hat der neue Regierungschef Arvind Kejriwal bereits ausgesendet.

1800 Filter für Obama!!!

Auch im Ausland nimmt man das Thema zunehmend wahr. Barack Obama machte während seines dreitägigen Besuchs im Januar eine Bemerkung über die Dringlichkeit des Problems. Während der Paraden zum Nationalfeiertag auf der Prachtstrasse Rajpath, denen Obama und sein indischer Gastgeber, Premierminister Modi, beiwohnten, waren die Sichtverhältnisse allerdings nicht wegen des Smogs eingeschränkt, sondern infolge Regens. Auch sonst gab es für den Gast aus Washington nur wenig Anlass zur Sorge um die eigene Gesundheit. Die amerikanische Botschaft hatte zu seinem Besuch insgesamt 1800 Luftfilter angeschafft.

Messung und Vergleichbarkeit der Verschmutzung

pab. ⋅ Viele Regierungen stellen die Luftqualität mit einem sogenannten Luftqualitätsindex dar. Dabei werden unterschiedliche Schadstoffwerte in der Luft gemessen und anhand einer Berechnungsformel kompiliert. Die Formeln variieren, doch fast immer berücksichtigt wird die Belastung durch PM 2,5 und PM 10 (Feinstaubpartikel von 2,5 und 10 Mikrometern Durchmesser), ferner durch Ozon, Schwefel- und Stickstoffdioxid. Der Index kategorisiert die errechneten Werte nach ihrer Gefährlichkeit für die menschliche Gesundheit. Unterschiedliche Farbtöne illustrieren die Gefährdungslage.

Meist geben Regierungen für jede Kategorie entsprechende Verhaltensempfehlungen ab. Die amerikanische Regierung etwa warnt bereits ab einem Wert von 100 nach ihrer Berechnungsmethode (Kategorie «ungesund für empfindliche Gruppen») vor grösseren körperlichen Aktivitäten für Kinder und Alte. In Delhi sind zwischen Oktober und März Werte von unter 150 eine Seltenheit. Indien verwendet für seinen eigenen Index etwas grosszügigere Massstäbe. Doch auch so wird die Luftqualität an sehr vielen Tagen des Jahres als «schlecht» oder sogar «schwerwiegend» bezeichnet. In letzterem Fall müssen auch gesunde Personen bereits bei kleineren Anstrengungen mit Atembeschwerden rechnen.

Die Werte werden online publiziert, in den USA und in Indien von der jeweiligen staatlichen Umweltschutzbehörde, in Europa (Verweis) über eine Initiative der EU. Die diplomatischen Vertretungen der USA in Indien und China veröffentlichen zudem unabhängige eigene Messwerte, was aufgrund der strengeren amerikanischen Standards in den beiden Ländern mitunter auf Kritik stösst. Einen guten überregionalen Vergleich erlaubt eine Initiative aus Peking (aqicn.org), die weltweit verfügbare Daten zusammenträgt. Die schlechtesten Werte stammen allesamt aus Asien. Auch laut einer Studie der WHO weisen neben indischen und chinesischen Grossstädten vor allem Orte in Pakistan, Bangladesh, Nepal, Iran sowie die mongolische Hauptstadt Ulaanbaatar eine besonders schlechte Luftqualität aus.

Das Centre for Science and Environment fordert eine flächendeckende Erhebung des Luftqualitätsindexes in Indien und eine viel breitere Bekanntmachung der Daten. Bis jetzt gibt es in Delhi nur einige wenige öffentliche Tafeln, die über die Luftqualität informieren. Zudem müsse die Bevölkerung stärker über die Gefahren aufgeklärt werden, damit allfällige Warnungen der Regierung auch befolgt würden. Massnahmen wie in Peking, wo etwa an besonders schlechten Tagen die Schulen geschlossen bleiben und der Individualverkehr eingeschränkt wird, sind in Delhi bis jetzt unbekannt.

Mitunter werden Vergleiche zwischen der Gefährlichkeit des mittlerweile aus den meisten öffentlichen Räumen verbannten Zigarettenrauchs und der Luftverschmutzung gezogen. Die Methodik und die Resultate sind umstritten. So wird etwa behauptet, ein Tag Atmen in Peking oder Delhi bedeute die gleiche Belastung wie das Rauchen eines ganzen Päckchens Zigaretten. Die meisten Wissenschafter halten das für übertrieben; sie setzten das Äquivalent bei täglich einer bis zwei Zigaretten an. Das dürfte allerdings die wenigsten Eltern beruhigen.

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