Kampf gegen krankheitserregende Legionellen
Die Legionärskrankheit nimmt in der Schweiz sprunghaft zu. Ein Grund ist lauwarmes Wasser im Haushalt. Nun streiten sich mehrere Bundesämter, ob die Vorschriften verschärft werden müssen.
Daniel Koch, Leiter Übertragbare Krankheiten beim BAG: "Wir müssen alles daransetzen, diese fatale Entwicklung in den Griff zu bekommen."
Die ganz heissen Tage sind zwar vorüber, und damit sinkt auch die Gefahr etwas, dass sich jemand mit der Legionärskrankheit ansteckt. Die bisherige Bilanz des Jahres 2018 ist allerdings bereits jetzt verheerend. Bis am 21. August wurden dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) bereits 348 Erkrankungen mit Legionellose gemeldet. 2017, das bereits als Rekordjahr in die Geschichte einging, wurden zu diesem Zeitpunkt von den Ärzten erst 285 Infektionen gemeldet. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer. «Diese Zahlen sind erschreckend hoch», sagt Daniel Koch, Leiter Übertragbare Krankheiten beim BAG. «Wir müssen alles daransetzen, diese fatale Entwicklung in den Griff zu bekommen.»
Alarmiert von der seit längerem steigenden Zahl der Infektionen, haben das BAG und das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in der vergangenen Woche neue Empfehlungen zur Bekämpfung der Legionärskrankheit veröffentlicht, die in 5 bis 10 Prozent aller Fälle zum Tod führt. Die Infektion beginnt mit Husten, Durchfall und Fieber. In der Folge kann es zu schweren Lungen- und Rippenfellentzündungen kommen. Besonders gefährdet sind ältere Personen, Raucher und Leute mit einem geschwächten Immunsystem.
Gefahr unter der Dusche
Nicht alle der vorgeschlagenen Massnahmen sind unbestritten. Dies deshalb, weil es im Bereich der Haustechnik zu einem Zielkonflikt zwischen der Energiewende und der Gesundheitsförderung kommt. Energieeffiziente und klimafreundliche Wärmepumpen zur Erhitzung von Warmwasser werden nämlich mit 45 bis 55 Grad exakt in jenem Temperaturbereich betrieben, in dem sich die gefährlichen Legionellen besonders gut entwickeln. Bei einer Temperatur von 60 Grad werden die Bakterien dagegen abgetötet.
Zum Problem werden sie dann, wenn sie in hoher Konzentration in die Lunge gelangen. Dies kann unter der Dusche oder im Whirlpool geschehen, wenn die Bakterien über zerstäubtes Wasser eingeatmet werden. Laut den Empfehlungen von BAG und BLV ist die Warmwasserversorgung in Wohnhäusern deshalb so auszulegen, dass am Austritt des Speichers 60 Grad erreicht werden, warmgehaltene Leitungen (z. B. Zirkulation, Warmhaltebänder) sollten 55 Grand warm sein und an der Entnahmestelle 50 Grad.
Eigentlich sollten diese Vorgaben erreicht werden, indem die Norm SIA 385/1 verschärft wird, an die sich Sanitärinstallateure beim Einbau von Boilern zu halten haben. Gegenwärtig ist dieses Vorhaben zur Überarbeitung zurückgewiesen. Das Pikante: Die Angelegenheit ist blockiert, weil sich verschiedene Bundesstellen in dieser Frage überhaupt nicht einig sind. So wehrt sich das Bundesamt für Energie (BFE) gegen aus seiner Sicht übertriebene Massnahmen zur Hygieneförderung. «Der Grund für unseren Widerstand ist ganz einfach. Damit würden unsinnige Vorschriften eingeführt, welche die Energieeffizienz in Gebäuden massiv verschlechtern und auch die weitere Nutzung der bewährten Solarwärmespeicher verhindern würden», erklärt Marianne Zünd, Leiterin Medien und Politik des BFE.
Überhaupt nicht glücklich über die vorgesehenen Änderungen sind auch die Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz (FWS) und der Verband Gebäudeklima Schweiz, in dem sich die Hersteller und Lieferanten von Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik zusammengeschlossen haben. Wie FWS-Geschäftsführer Stephan Peterhans erklärt, ist die Gefahr, dass man unter der privaten Dusche Legionellen einatmet und krank wird, vergleichsweise gering.
Viel höher sei die Gefährdung in Hotels, Alters- und Pflegeheimen sowie Sportanlagen, wo Wasserleitungen teilweise wochenlang nicht durchgespült würden. «In einem Wohnhaus reicht es, wenn man das Wasser einmal in der Woche mittels einer Legionellenschaltung auf 60 Grad erhitzt», sagt Peterhans. Er kritisiert, dass aus der BAG-Statistik nicht ersichtlich ist, wo sich jemand mit der Legionärskrankheit angesteckt hat. Dies würde zeigen, dass in den eigenen vier Wänden die Gefahr zu erkranken gering sei, ist Peterhans überzeugt.
Kantone machen Stichproben
Eigentlich hätte die neue Norm bereits im Juni publiziert werden sollen, doch aufgrund der politischen Differenzen wird es frühestens im Oktober so weit sein. «Es braucht eine ‹Elefantenrunde›, an der alle Interessierten noch einmal ihre Standpunkte vertreten können», betont Gerhard Zweifel, Präsident der SIA-Kommission für Gebäudetechnik und Energienormen. Neben den Branchenvertretern der Wärmepumpen, die befürchten, dass ihre Produkte zu stark an Energieeffizienz verlieren, fürchtet auch die Solarbranche um ihre Geschäfte. Bei der Wassererwärmung durch Sonnenenergie werden in der Vorwärmzone 60 Grad ebenfalls nicht erreicht. Der an der Hochschule Luzern lehrende Ingenieur kritisiert, dass die Branche zu wenig auf bisher bereits vorhandene innovative Lösungen setzt. Hans-Peter Nützi, stellvertretender Abteilungsleiter beim BFE, setzt auf eine einvernehmliche Lösung: «Wenn alle Seiten guten Willen an den Tag legen und nicht stur auf ihrem Standpunkt beharren, kann den Anforderungen der Energieeffizienz und der Hygiene Genüge getan werden.»
Bereits tätig geworden ist der Bund bei öffentlichen Einrichtungen. Dort geht es nicht um die Wassertemperatur, sondern um die Zahl der Legionellen. Seit Mitte 2017 gelten für Schwimmbäder, Heime, Spitäler und Hotels verbindliche Legionellen-Höchstwerte. Diese Institutionen müssen ihr Wasser, das seither als Lebensmittel gilt, regelmässig auf die gefährlichen Bakterien testen. Ob die Vorgaben eingehalten werden, wird von den Kantonschemikern mit Stichproben geprüft.
Im Kanton Zürich wurden im Jahr 2017 67 Legionellosefälle gemeldet. Davon haben 16 betroffene Personen die Dienstleistung des Kantonalen Labors in Anspruch genommen und in ihrem Umfeld (Wohnung, Fitnesscenter, Arbeitgeber usw.) Duschwasserproben auf Legionellen untersuchen lassen. In 14 der 16 Fälle konnten keine Bakterien nachgewiesen und somit kein Infektionsherd lokalisiert werden. In einer Duschwasserprobe und in einer Sprudelbadprobe wurden Legionellen in überhöhter Konzentration nachgewiesen. Die Aufklärungsquote, woher die Krankheit kommt, ist also gering. Als Infektionsquellen gelten auch Klimaanlagen und Kühltürme.
>> Quelle NZZ vom 29.08.18 Erich Aschwanden, sowie weitere Artikel